Kurt Schneider
Abenteuer Softwarequalität, Grundlagen und Verfahren für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement, dpunkt.verlag, 1. Auflage, Heidelberg 2007, 29,00 €
Ein merkwürdig heterogenes Buch hat Kurt Schneider da verfasst. Ein locker-flockiger Flug über das Thema Softwarequalität und Test, nicht zu umfangreich, das Buch selbst nicht zu teuer, eigentlich dazu prädestiniert einen Überblick für Einsteiger zu bekommen. Ja, und vielleicht auch der Versuch für ein Thema mit einem etwas angestaubten Image so etwas wie Nachwuchswerbung zu betreiben. Das will Schneider durchaus mit dem Titel seines Buches und der Rahmenhandlung, in die seine Darstellungen eingebettet sind, ausdrücken. Dazu bedient er sich der fiktiven Geschichte eines Berufsanfängers, „Q“, aus dessen Perspektive die ersten Begegnungen mit dem Thema berichtet werden, „um die Gefühlsperspektive zu betonen“. Insgesamt erinnert das Konstrukt dann allerdings auf fatale Weise an den Versuch die eigenen Kinder von der Schmackhaftigkeit von Spinat zu überzeugen.
Manches an den Inhalten irritiert kolossal: So die sehr knappe Abhandlung von Standards und Normen über zwei Seiten, die der Autor als zum Teil widersprüchlich und nicht hilfreich empfindet. Ferner die Skepsis gegenüber der Verwendung eines einheitlichen Glossars von Fachbegriffen, die man „dem Kunden nicht aufzwingen“ könne, und also von Fall zu Fall mit diesem zusammen entwickeln und verhandeln müsse. Dabei ist die systematische Einbeziehung eines international gültigen Normenwerks und eines einheitlichen Glossars eine der wesentlichen Errungenschaften des Vorgehens moderner Qualitätssicherung, wie beispielsweise nach der ISTQB. Auch „Qualitätsmodelle“ sind laut Autor individuell zu entwickeln, und auf den „Fundamentalen Testprozess“ der ISTQB geht Schneider gar nicht weiter ein.
Wichtig und nachvollziehbar dagegen sind die Ausführungen zur Nutzung von Erfahrungswissen, insbesondere zum Aufbau und der Pflege von Qualitätsnetzwerken und –zirkeln. Hier knüpft Schneider an das Konzept der Communities auf Practice (Wenger) an und stellt die von ihm entwickelte Technik der „Light-weight Documentation of Experiences (LID)“ vor, die er für DaimlerChrysler entwickelt hat. Dabei geht es um die systematische Erfassung von Erfahrungen während und nach einer QS-Aktivität. Dieses Kapitel stellt eine wichtige Ergänzung zum ISTQB-Prozess dar, denn dort wird lediglich auf die Erstellung von Qualitätssicherungs- und Testberichten verwiesen.
Die Ausführungen (jeweils Kapitel) zu Softwaremetriken und Black-Box-, sowie White-Box-Tests sind hinreichend und fachlich gesehen nicht zu beanstanden.
Trotz aller Bemühungen fehlt der Darstellung dann doch die Systematik und Struktur, die wir aus den Fachbüchern zum Thema ISTQB kennen. Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt auf analytischen QS-Prozessen, denen nahezu 90% des Inhaltes gewidmet sind. Konstruktive QS-Maßnahmen tauchen ganz am Ende auf und werden in einem Kapitel ungleich oberflächlicher behandelt. Dabei spielen solche fehlervermeidenden Maßnahmen gerade mit dem Aufblühen agiler Methoden doch eine immer größer werdende Rolle, zumal es auch die wirtschaftlichste Art der Sicherstellung von Softwarequalitätsmerkmalen ist.
Stichwort „Agilität“. Schneider verengt die Perspektive auf Xtreme Programming, obwohl Scrum 2007 durchaus auch schon industriell eingesetzt wurde. Gib es dafür Gründe? Man erfährt es nicht. Und überhaupt, den Agilen mit ihrem „forschen“ Vorgehen scheint Schneider durch die Brille des Qualitätsmanagers sehend nicht recht über den Weg zu trauen. Fairerweise konnte niemand den Siegeszug insbesondere von Scrum im Jahr 2007 voraussehen, aber dass sich eine wirksame Qualitätssicherung mit den jeweils vorherrschenden Vorgehensmodellen auseinandersetzen muss, und in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess ihre Methoden dahingehend verfeinert und verbessert, darin liegt ja gerade die Spannung, das macht das „Abenteuer Softwarequalität“ aus.
Dr. Oliver Kortendick