Anforderungsmanagement

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Was ist Anforderungsmanagement?

Was ist Anforderungsmanagement?

Anforderungsmanagement (englisch: requirements management) umfasst Maßnahmen zur Steuerung, Kontrolle und Verwaltung von Anforderungen, Risikomanagement, Änderungsmanagement und Umsetzungsmanagement. Es dient der effizienten und fehlerarmen Entwicklung komplizierter Systeme, an denen arbeitsteilig gearbeitet wird. Denn Probleme mit Anforderungen resultieren zumeist aus mangelndem Management. Alleine das Aufstellen von Anforderungen reicht nicht aus, sondern für die Planung und Realisierung eines Produktes oder Systems ist ebenso der Prozess des Anforderungsmanagements notwendig.

Anforderungsmanagement ist ein Teilgebiet des Requirements Engineerings (RE) und der Business Analyse. Deren weitere Disziplinen sind z.B. Anforderungsdefinitionen, Anforderungsanalyse, Anforderungsdokumentation und Anforderungsvalidierung.

Anwendungsbeispiel

Anwendungsbeispiel
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Christiane und Volker erheben Anforderungen für die Weiterentwicklung eines großen Registers. Das System existiert bereits seit vielen Jahren. Eine vollständige und qualitätsgesicherte Anforderungsspezifikation nach den Regeln des Handwerks war ursprünglich die Grundlage seiner Entwicklung. Jedoch blieb es nicht dabei. Die Anforderungen an das System ändern sich seit diesen Anfangstagen durch Gesetzesänderungen kontinuierlich. Außerdem bemüht sich das Wartungsteam fortlaufend, das Verfahren bei gleichbleibender Benutzerfreundlichkeit noch sicherer zu machen oder bei gleichbleibender Sicherheit noch benutzerfreundlicher.

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In einer Schulung haben Christiane und Volker mitgenommen, dass der Fachbegriff für ihre Tätigkeit Requirements Engineering ist. Sie müssen viele Änderungsideen aus allen Richtungen entgegennehmen und verwalten. Dabei den Überblick zu behalten, vorab abzuschätzen, welche Kosten und andere Folgen eine Idee bei ihrer Umsetzung mit sich bringen würde, sowie wohlbegründet die Änderungen umzusetzen, zurückzustellen oder abzulehnen ist eine anstrengende Tätigkeit, die ihre volle Aufmerksamkeit erfordert. Und gleichzeitig müssen sie immer die Interessen anderer Stakeholder mit berücksichtigen wie die der IT-Abteilung, des Produktmanagements, der Abteilungsleitung und des Datenschutzbeauftragten.

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Als Kathie im regelmäßigen Referats-Jour Fix eine bedeutende Änderung in dem von ihr betreuten Verfahren in Bezug auf das Thema Barrierefreiheit ankündigt, wissen Christiane und Volker ganz genau, was sie nun erwartet. Kathie berichtet über die EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit von Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen. Alle Verfahren des Referates sollen die Richtlinie zeitnah umsetzen, und das bedeutet einen enormen Aufwand bei der Identifikation der Änderungen der bestehenden Anforderungen.

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Christiane und Volker vereinbaren nach dem Jour Fix zeitnah einen gemeinsamen Termin und besprechen das weitere Vorgehen. Sie beschließen die Aufgaben zu teilen. Während Volker weiterhin seine Rolle als Requirements Engineer ausübt und in Zusammenarbeit mit externen Business Analysten und Usability-Experten die Geschäftsprozesse analysiert, übernimmt Christiane die Rolle des Requirements Managers. Sie wird die Arbeit organisieren und koordinieren.

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Trotz der extrem herausfordernden Zeit, die vor Ihnen liegt, gehen sie zuversichtlich in das neue Projekt, denn sie können auf ein detailliertes und bestens dokumentiertes Anforderungsmanagement-Tool zurückgreifen. Durch die Kennzeichnung aller Anforderungen mit IDs, die gute Dokumentation und die Verknüpfung der Anforderungen untereinander und zu ihren jeweiligen Akzeptanzkriterien, Testfallspezifikationen und Ausführungsberichten, können die beiden schnell feststellen, auf welche Anforderungen sich eine Änderung auswirkt.

Beschreibung

Anforderungen werden erstellt, verwendet, aktualisiert und wieder gelöscht, sowohl im Laufe ihrer Ausarbeitung als auch während ihres Bestehens. Während dieses gesamten Lebenszyklus müssen wir sicherstellen, dass alle beteiligten Parteien Zugang zu den korrekten Versionen aller Anforderungen haben, die für sie relevant sind. Wenn Anforderungen nicht richtig verwaltet werden, besteht die Gefahr, dass einige Parteien Anforderungen übersehen, an veralteten Anforderungen festhalten, mit falschen Versionen arbeiten, Beziehungen übersehen und so weiter. Dies kann die Effizienz und Effektivität der Systementwicklung und -nutzung ernsthaft beeinträchtigen.

Im Verlauf eines Projekts ist es notwendig, neue Anforderungen zu erfassen, gegebenenfalls aus anderen Dokumenten zu importieren, zu ändern und zu verwalten. Bei einer großen Anzahl von Anforderungen ist dies nur werkzeuggestützt möglich. Die Werkzeuge zum Anforderungsmanagement sollten folgende Aufgaben erfüllen:

  • Erfassen der Anforderungen,

  • Aufbau und Verwaltung von Anforderungsstrukturen (z.B. hierarchische und lose Strukturen, Verweis auf die zugehörige Testanforderung),

  • Verfeinerung von Anforderungen

  • Verwalten der Historie,

  • Beobachtung und Überwachung (Tracking) von Anforderungen (um z.B. festzustellen, ob die Anforderung bereits bearbeitet worden ist oder wie lange die Bearbeitung der Anforderung dauerte),

  • Auswerten, Nachvollziehen und Rückverfolgen (Tracing) der Anforderungen (z.B. auf Entwurfsobjekte und Testfälle),

  • Unterstützung der Auswirkungsanalyse (wie hoch wird der Aufwand sein, wenn sich eine Anforderung verändert und welche weiteren Anforderungen sind davon betroffen),

  • Attribute von Anforderungen festlegen (z.B. Priorität, Bearbeitungsstatus, Kosten der Umsetzung, Bearbeiter, etc.).

Rollen und Aufgaben des Anforderungsmanagements

Der Anforderungsmanager verantwortet das Anforderungsmanagement und führt die zugehörigen Aufgaben selbst durch oder überwacht deren Durchführung.
Drei grundsätzliche Faktoren erhöhen die Komplexität der Aufgaben im Anforderungsmanagement:

  • Anforderungen können (zunächst oder auf längere Zeit) unklar sein

  • Anforderungen können (zunächst oder auf längere Zeit) unvollständig sein

  • Anforderungen ändern sich (zunächst oder auf längere Zeit) häufig ändern

Der Anforderungsmanager ist verantwortlich dafür, die Regeln und Techniken bereitzustellen, die benötigt werden, damit Anforderungen und andere Informationen so abgelegt werden können, dass jeder Beteiligte das findet, was er braucht. Dies muss vorab geplant werden. Darum erstellt der Anforderungsmanager vor dem Beginn des Anforderungs-Prozesses den Requirements-Management-Plan (RMP).

Der RMP umfasst:

  1. die Anforderungs-Landschaft, d.h. die zu verwaltenden Anforderungs-Artefakt-Typen und deren Detaillierungsgrad,

  2. Attribute und Sichten auf die Anforderungen,

  3. Priorisierungskriterien und -techniken,

  4. die Versionsverwaltung von Anforderungen sowie den Änderungsprozess,

  5. die Verwaltung der Rückverfolgbarkeit von Anforderungen,

  6. das Variantenmanagement,

  7. das Berichtswesen,

  8. den Requirements-Engineering-Prozess und Aktivitäten für dessen Verbesserung,

  9. und die zu verwendenden Werkzeuge.

Im Handbuch IREB Certified Professional for Requirements Engineering Advanced Level Requirements Management - Version 2.0.0, Juli 2022 finden Sie detaillierte Informationen und Anleitungen, wie Sie die Punkte aus dem RMP umsetzen können.

Priorisierung von Anforderungen

Die Umsetzung von Anforderungen erfordert Aufwand, Zeit, Geld und Aufmerksamkeit. In den meisten Fällen sind diese Ressourcen begrenzt, was bedeutet, dass nicht alle Anforderungen umgesetzt werden können, zumindest nicht zur gleichen Zeit. Das wiederum bedeutet, dass die Product Owner und / oder das Entwicklungsteam entscheiden müssen, welche Anforderungen zuerst umgesetzt werden sollen und welche später (oder gar nicht) umgesetzt werden könnten.

Die Bewertung der Anforderungen ist die Grundlage für deren Priorisierung. Die Priorität einer Anforderung wird oft aus mehreren Bewertungskriterien ermittelt. Als Bewertungskriterien werden beispielsweise verwendet:

  • Implementierungsaufwand oder andere Kosten

  • Bedeutung oder Nutzen für den Benutzer oder andere Stakeholder

  • voraussichtliche Nutzungshäufigkeit einer Funktion

  • rechtliche Verbindlichkeit einer Anforderung

  • Abhängigkeiten zwischen Anforderungen (grundlegende sind früher zu implementieren als die von ihnen abhängigen)

  • Risiko (als Produkt aus Fehlereintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe)

Quellen