Reifegrade zum Erfahrungsbasierten Testen

R 2.0.0

Allgemeine Beschreibung

Art und Umfang der Testaktivitäten, die im Zusammenhang mit einem bestimmten Baustein durchgeführt werden, sagen etwas über die "Reife" eines Projektvorgehens aus. Probieren Sie doch mal, sich anhand unseres Fragebogens selbst einzustufen! Wir definieren für jeden Baustein vier unterschiedliche Reifegrade und geben Ihnen Hinweise darauf, auf welcher "Stufe" Sie sich gerade befinden, bzw. geben Ihnen Hilfestellung durch welche konkreten Maßnahmen Sie eine höhere Stufe, einen höheren Reifegrad also, erreichen können.

Reifegrad "Initial"

Erfahrungsbasiertes Testen wird - wenn überhaupt - spontan und unsystematisch durchgeführt. Testdurchführung und Ergebnisse werden nicht dokumentiert. Die betrachteten Anwendungsfälle sind unter den Testern nicht abgestimmt und die Kommunikation in Richtung Entwicklung erfolgt individuell, in dem beispielsweise bei Aufdeckung eines Fehlers die Entwicklung telefonisch zur sofortigen Behebung aufgefordert wird. Das erfahrungsbasierte Testen ist nicht Teil eines ganzheitlichen Testvorgehens.

Kontrollpunkte

  • Eine Dokumentation des Vorgehens, der ermittelten Abweichungen und Ergebnisse erfolgt nicht

  • Es gibt keine terminliche Abstimmung zwischen Testmanagement und den Fachexperten

  • Die Informationen aus den erfahrungsbasierten Tests werden zwischen Fachbereich und Entwicklung individuell geteilt

  • Funktionen und Anwendungsteile werden nach eigener Einschätzung und Erfahrung ohne vorherige Abstimmung getestet

  • Es gibt keine Integration des erfahrungsbasierten Testens in ein Testvorgehen

Verbesserungsvorschläge

  • Der erfahrungsbasierte Test hat ein Ziel, möglichst in einer Testcharta notiert

  • Dokumentation des Vorgehens in den Tests (zumindest Stichworte)

  • Frühzeitiges Einbinden erfahrungsbasierter Tests in iterative Sprints beim agilen Vorgehen

  • Fehler gehören ins Ticketsystem

  • Fachliche Experten identifizieren und über anstehende Aufgaben im Test informieren, damit die Zeiten eingeplant werden können

  • Abstimmung der Kommunikationswege zwischen Fachbereich und Entwicklung

  • Einbettung des erfahrungsbasierten Testens in ein ganzheitliches Testvorgehen

Kontrolliert

Die Durchführung des erfahrungsbasierten Tests erfolgt frühzeitig und geplant.

Mehrwerte

  • Verbesserung der Planbarkeit von Ressourcen

  • Befunde aus dem erfahrungsbasierten Test erleichtern Projektsteuerung und sind wichtige Risikoindikatoren

  • Frühere Einbindung des Fachbereichs erhöht Akzeptanz und Wirksamkeit der Tests

  • Abläufe in der Kommunikation sind klar definiert und vereinfachen die Fehlerbehebung

Kontrollpunkte

  • Der Test hat ein Ziel, das typischerweise auf einer Testcharta fixiert ist.

  • Das Vorgehen der Tests und Fehler werden dokumentiert.

  • In agilen Sprints werden frühzeitig erfahrungsbasierte Tests berücksichtigt und durchgeführt.

  • Die fachlichen Experten haben ausreichend Zeit für die Tests.

  • Die Berichterstattung enthält auch die Ergebnisse aus den erfahrungsbasierten Tests.

  • Die Kommunikationswege zwischen Fachbereich und Entwicklung sind abgestimmt.

Verbesserungsvorschläge

  • Gefundene Fehler statistisch auswerten und zur Analyse der Effizienz des strukturierten Testvorgehens nutzen

  • Einbindung des Fachbereichs in die Vorbereitung und Analyse der Ergebnisse aus erfahrungsbasierten Tests

  • Einsatz von Checklisten zur Vorbereitung und Durchführung erfahrungsbasierter Tests

  • Einheitliche Werkzeuglandschaft ohne Medienbrüche

Reifegrad "Effizient"

Die erfahrungsbasierten Tests werden unter Berücksichtigung eines günstigen Kosten-Nutzen-Verhältnisses durchgeführt.

Mehrwerte

  • Durch Einbeziehung des Fachbereichs in das Testvorgehen und enge Kommunikation mit der Entwicklung wird die Entwicklung beiderseitigen Vertrauens in die Software gefördert.

  • Erfahrungsbasiertes Testen kann, wenn es Teil der übergeordneten Teststrategie ist, andere, ggf. aufwändigere und kostenintensivere Testmethoden ersetzen und somit Kosten senken.

  • Erfahrungsbasiertes Testen liefert wertvolle Indikatoren für die Dimensionen "fachliche Komplexität", "Fehlereintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe", die Bestandteil eines risikobasierten Testvorgehens sind.

Kontrollpunkte

  • Einhalten eines planvollen Vorgehens

  • Der Fachbereich wird in die Vorbereitung und Analyse der Ergebnisse aus erfahrungsbasierten Tests einbezogen.

  • Es wird ein risikobasierter Testansatz (risk based testing) umgesetzt, für den die Ergebnisse aus dem erfahrungsbasierten Test eingesetzt werden. Das betrifft Aussagen zu Fehlerhäufigkeiten, fachlicher Komplexität und möglichen Schadenshöhen (aus fachlicher Sicht).

Verbesserungsvorschläge

  • Stetige Analyse und Verbesserung des Vorgehens zum erfahrungsbasierten Testen, inkl. Dokumentation und Berichtswesen sowohl in agilen als auch klassischen Vorgehen

  • Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen fachlichen Fachabteilung, Testern und Entwicklern während der erfahrungsbasierten Tests

  • Durchführung von Lessons Learned Workshops zu den durchgeführten Tests nach erreichten Meilensteinen

  • Einführung eines Kontinuierlichen Verbesserungsprozess auf Grundlage regelmäßiger Reviews und Retrospektiven und durch ständige Fort- und Weiterbildung aller Akteure

Reifegrad "Optimierend"

Ständige Bewertung, Pflege und Weiterentwicklung des Vorgehens führen zu einem Kontinuierlichen Verbesserungsprozess.

Mehrwert

  • KVP stellen sicher, dass sich keine Routinen und Nachlässigkeiten einschleichen, die einen anfänglich gelungenen und anspruchsvollen SWE-Prozess verwässern und korrumpieren. Das Niveau wird gehalten.

  • Optimale Voraussetzung um auf zukünftige Änderungen (juristisch, organisatorisch, politisch, wirtschaftlich, sozial, fachlich und technisch) eingehen zu können.

Kontrollpunkte

  • Reviews und Retrospektiven

  • Risikobewertung des Vorgehens

  • Nachsteuern des SWE-Prozess

  • Kontinuierliche Weiterbildung (lernende Organisation)

Quellen

  • TPI NEXT - Geschäftsbasierte Verbesserung des Testprozesses; van Ewijk, Linker, van Oosterwijk, Visser, de Vrie, 1. Auflage 2011